Freitag, 25. September 2015

# 17 - Pulitzer Preis für die Höhen und Tiefen eines Musikerlebens

Sex, Drugs and Rock'n Roll - ist nach 40 Jahren der Lack ab?

 

Es geht in dieser Woche um ein Buch der US-Schriftstellerin Jennifer Egan, deren literarisches Werk 2011 von einem Pulitzer Preis gekrönt wurde. Den Preis bekam sie für ihren Roman Der grössere Teil der Welt, um den es hier jetzt gehen soll. Das Cover lässt schon erahnen, worum sich ziemlich viel dreht: Es ist eine Geschichte um den Musikproduzenten und ehemaligen Punk-Rocker Bennie Salazar, seine hübsche Assistentin Sasha und Scotty, der vor ewigen Zeiten in Bennies Band gespielt und ekstatische Riffs hingelegt hat. 


Mitten im Leben - die 1970er Jahre

 

Es ist schon nach zwei Seiten klar, dass Sasha eine Kleptomanin ist, die sich ihre Krankheit nicht eingestehen will und die Wahrheit so lange verdreht, bis sie ganz harmlos daherkommt. Auch ihr Psychiater hat es schwer, Zugang zu ihr zu finden. In ihrer kleinen  Wohnung befindet sich ein Tisch, auf dem sie alles aufbaut, was je den Bestohlenen durch sie "abhanden gekommen" ist. Auch ihren One-Night-Stand Alex erleichtert sie um dessen Brieftasche, während er sich in ihrer Badewanne räkelt.
Ihr Chef Bennie weiß lange Zeit nichts von ihrem Problem. Nach Jahren des Erfolgs ist es mit ihm beruflich langsam bergab gegangen. Er verdrängt das jedoch noch und leistet sich seine speziellen Dekadenzen: Ohne eine Prise Goldstaub im Kaffee geht es praktisch nicht mehr. Den Erhalt der sexuellen Leistungsfähigkeit gibt es nun mal nicht umsonst. In seinem Privatleben steht er vor einem Scherbenhaufen: Die Scheidung läuft, das juristische Gezerre um seinen kleinen Sohn hat begonnen.

Sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen wird zur Königsdisziplin

 

Im weiteren Verlauf erfährt der Leser, dass Sasha nach zwölf Jahren von Bennie vor die Tür gesetzt wird, als er von ihrem krankhaften Drang zum Klauen erfährt. Durch eine Rückblende wird deutlich, dass sie sich mit 17 sang- und klanglos zu Hause aus dem Staub gemacht hatte, nachdem diverse Familien- und Gruppentherapien an ihr erfolglos abgeperlt waren, sie immer mehr Drogen genommen hatte und drei Suizidversuche hinter ihr lagen. Als sie völlig am Ende ist, wird sie in Neapel von ihrem Onkel aufgelesen.

Auch Bennie hat seine Schwierigkeiten mit der Erkenntnis, dass sein einst in Musikerkreisen bekannter Name in der Bedeutungslosigkeit versunken ist. Einen Hoffnungsschimmer sieht er in seinem plötzlich auftauchenden Kumpel Scotty aus alten Tagen. Er hatte früher in der gemeinsamen Band das Publikum mit seinem Enthusiasmus begeistert, ist aber jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst. Doch an diesem physischen Wrack hängen Bennies Hoffnungen auf ein Comeback als Produzent, und er gibt Scotty, der schon seit einer Ewigkeit nicht mehr auf einer Bühne gestanden hat, den Optimismus zurück, endlich doch noch erfolgreich zu werden. 


Wie hieß doch gleich das lange Ding, das sich durch ein Buch schlängelt?

 

Genau: roter Faden! Ich habe ihn nach ungefähr dem ersten Drittel des Romans verloren. Irgendwann wusste ich nicht mehr, wo ich diesen oder jenen Namen hinstecken sollte und habe mich dabei erwischt, wie ich vor- und zurückblätterte, um den Zusammenhang wieder herzustellen. Das Buch geht nicht einmal ansatzweise chronologisch vor. Daten, Wochentage oder ähnliche Angaben, die die Orientierung erleichtern könnten, sucht man vergebens. Es wird klar, dass Sasha in ihrem Leben irgendwann die Kurve kriegt und den nötigen Halt in ihrer Ehe und ihren beiden Kindern findet. Wie das Familienleben abläuft, vermittelt Jennifer Egan auf 76 (von insgesamt etwa 380) Seiten, die keinen Fließtext haben, sondern voll sind mit textgefüllten Diagrammen in Säulen-, Torten- und anderen Formen. Man kann das innovativ finden, aber ich kann damit nichts anfangen. Die Presse hat dieses Buch überschwänglich in den Himmel gehoben, ich war froh, als ich auf der letzten Seite angekommen war. Aber was für Mode, Kunst und vieles andere mehr gilt, gilt auch hier: Die Geschmäcker sind verschieden.