Freitag, 27. Oktober 2017

# 122 - Selbst erlebt: Sieben Monate in chinesischer Haft

Wie aus einer Dummheit ein Drama wird

 

2014: Hamza Özyol ist gelernter Schlosser und bekommt von einer Facebook-Bekanntschaft das Angebot, in China beim Bau eines U-Bahn-Tunnels mitzuhelfen. Er ist gerade arbeitslos, daher kommt die lukrative Offerte wie gerufen. Seine Familie einschließlich seiner Freundin ist gegen diesen Schritt, aber Özyol lässt sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Er fliegt im August von Deutschland nach Hongkong und will zunächst ausprobieren, ob er mit den harten Arbeitsbedingungen umgehen kann. In seinem Buch China - 210 Tage hinter Gittern schreibt er über seine Erfahrungen als ausländischer Häftling in einem chinesischen Gefängnis.

Ein kurzer Moment, der alles verändert

 

Özyol wohnt wie einige andere ausländische Kollegen in einem Hotel in der Nähe der Baustelle. Die Tage bestehen in den ersten beiden Wochen im Wesentlichen aus arbeiten und schlafen, und er vermisst freie Zeit und Abwechslung. Doch dann ergibt sich eines Abends eine Gelegenheit, die Bars der Stadt zu erkunden. Özyol ist allein unterwegs und besucht mehrere von ihnen. Sein stetiger Alkoholkonsum sorgt bei ihm für gute Stimmung, und er genießt seine Freiheit. Der Umstand, dass ihn sein Arbeitgeber jederzeit anrufen und zur Baustelle beordern könnte, bremst ihn nicht in seinem Trinkverhalten. In einer Bar fallen ihm drei Handys auf, die unbeachtet auf einem Bistrotisch liegen. Özyol kann keinen Eigentümer ausmachen und versteckt die Geräte in seiner Hosentasche. Doch nach einer Weile bringen ihn seine Gewissensbisse dazu, noch in derselben Nacht in das Lokal zurückzukehren und die Handys wieder dort abzulegen, wo er sie an sich genommen hat. Aber vor Ort warten bereits die Sicherheitsleute auf ihn, die schon die Polizei gerufen haben: Er ist auf den Kamerabildern, die in der Bar aufgenommen wurden, eindeutig als Dieb zu erkennen. Von diesem Moment an ändert sich sein Leben von Grund auf. Özyol wird ins Gefängnis gebracht, wo er monatelang auf seinen Prozess wartet. Sein Arbeitgeber kümmert sich nicht um ihn, die deutsche Botschaft setzt sich nur wenig für ihn ein. 
Das Leben in den Zellen ist so, wie es bereits in Presseberichten immer wieder beschrieben wurde: Mehrere Dutzend Häftlinge sind in einem zu engen Raum untergebracht, Ernährung und Hygiene sind auf einem schlechten Niveau, und die Knasthierarchie ist enorm gewöhnungsbedürftig. Özyol beschreibt, wie er unter Ausgrenzungen gelitten und seine Familie vermisst hat, erzählt aber auch von Zusammenhalt und so etwas wie Freundschaft zwischen ihm und einigen wenigen anderen Gefangenen. Er lernt während der sieben Monate dauernden Haft mehrere Zellen im selben Gefängnis kennen und erlebt, dass es in jeder eigene "Gesetze" gibt. Für kleine Verfehlungen werden den Insassen von den Gefängniswärtern teils drakonische Strafen auferlegt. Davon, dass Folterungen stattgefunden haben, schreibt Özyol allerdings nichts.

Wie war's?

 

Hamza Özyols authentische Schilderung seiner Gefangenschaft gibt einen Einblick, wie schnell man in China im Gefängnis landen kann. Lange Wartezeiten, bis es zum ersten Gerichtstermin kommt, sind nicht nur für Ausländer wie ihn, sondern für alle Angeklagten üblich. Auch über die schlimmen Haftbedingungen wurde in den Medien immer wieder berichtet. Özyols Verhalten ist heute auch für ihn selbst kaum nachvollziehbar. 
So interessant die Erlebnisse des Autors sind, so sinnvoll wäre es gewesen, einen Lektor mit der Überarbeitung des Buches zu beauftragen. Der Text hätte dann nicht nur stilistisch deutlich gewinnen können, sondern es wären auch einige Ungereimtheiten aufgefallen.

China - 210 Tage hinter Gittern ist bei Books on Demand (BoD) erschienen und kostet 9,99 Euro. Das Buch wurde mir von Indie Publishing, einem Angebot der Fachzeitschrift buchreport, zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare:

  1. Hallo,
    die Zustände in einem chinesischen Gefängnis klingen wirklich richtig schlimm und ich finde es sehr gut, dass es in einem Buch niedergefasst wurde, damit man sich hier in Deutschland im Klaren ist, wie gut es uns hier geht und wie schlimm den anderen, damit vielleicht auch ihnen dort geholfen werden kann.
    Vielleicht magst du mal bei mir vorbeischauen bei Blumiges Bücherparadies

    Liebe Grüße
    Blue

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    1. Hallo,
      so, wie es sich im Buch liest, hat der Autor für chinesische Verhältnisse wohl sogar noch Glück gehabt. Wenn man die Berichte von Amnesty International liest, ist man mit Folter dort recht schnell bei der Hand. Das ist ihm glücklicherweise erspart geblieben.
      Viele Grüße, Ina

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